Eine andere Sicht auf die soziale Dimension des Umgangs mit Indices

von Michael Corris

Mitte der sechziger Jahre erschien eine Gruppe von Künstlern und Ausstellungsorganisatoren als Wegbereiter einer Art der Kunstproduktion und -distribution, die das Gefüge etablierter Verkaufsstrategien ablöste; Teil dieses Gefüges waren vor allem jene Strategien, die sich mit Arbeiten von Malern und Bildhauern identifizieren liessen, die von Kritikern wie Michael Fried und, in geringerem Ausmaß, von seinem Mentor Clement Greenberg favorisiert wurden [s. Anm. zur Übers. unten].

Die mit der neuen Tendenz assoziierten amerikanischen Künstler, wie etwa Dan Graham, Joseph Kosuth, Lawrence Weiner und Douglas Huebler, genossen insbesondere in Europa erhebliche Beachtung und Markterfolg. Durch die Konzeption unkonventioneller Ausstellungen und die Publikation äußerst wohlwollender Kommentare Ende der sechziger Jahre hatte sich eine wachsende Anzahl von Kritikern und Kuratoren – insbesondere Lucy Lippard, Seth Siegelaub und Charles Harrison – für die Vermittlung und Verbreitung dieser Art künstlerischer Praxis eingesetzt. In seinem Vorwort zum Katalog der britischen Version der Ausstellung "Wenn Attitüden Form werden [When Attitudes Become Form]" schrieb Harrison begeistert, dass "es für den Künstler nicht länger notwendig ist, seine Arbeit hinsichtlich der Maße oder der Form zu begrenzen; sie muss weder berühr- noch sichtbar sein, solange die jeweilige künstlerische Intention einen 'mentalen Raum' evoziert, ohne Erinnerungen an ein Objekt wach zu rufen." ("Against precedents", Studio International, September 1969.)

Ausstellungen dieses neuen Typs künstlerischer Praxis, die als "Idea Art" oder "Conceptual Art" bezeichnet wurde, existierten für Rezipienten nur in Form gedruckter Kataloge oder auf den Seiten international vertriebener Kunstmagazine, wie etwa Studio International. Diese neue Art der Kunstproduktion und -distribution wurde insofern als befreiend angesehen, als sie einige Thesen teilte, die mit Marshall McLuhans Begriff des Globalen Dorfes verknüpft sind. Tatsächlich richteten diese Formen künstlerischer Praxis wenig aus, um die dominante Position New Yorks als Zentrum des Kunstmarkts der Nachkriegszeit zu kippen. Jedoch ergab sich, wie die Ausstellung "Global Conceptualism: Points of Origin, 1950s-1980s" (Queens Museum of Art, New York 1999) vor kurzem zeigte, von der Peripherie der nordamerikanischen ökonomischen und politischen Vormachtstellung aus eine andere Perspektive. In einer für die Mehrheit der Künstler in Nordamerika unvorstellbaren strategischen Vorgehensweise machten sich künstlerische Praktiken in Südamerika, Osteuropa, Ostasien und Australien die relative Mobilität und Anpassungsfähigkeit dieser neuen Produktions- und Distributionsformen zunutze. Es waren Praktiken, die sich vielleicht zu bereitwillig an die sogenannte "Conceptual Art" anglichen – als ob die lokalen Künstler selbst in ihrem Befreiungsgestus verpflichtet gewesen wären, einem Modell künstlerischer Praxis Anerkennung zu zollen, dessen Anliegen für ihre eigenen Ziele nur oberflächlich relevant waren oder das mit den Anliegen anderer lokal geprägter Künstler übereinstimmte. Für diejenigen außerhalb des "Zentrums" – die Opposition "Zentrum-Peripherie" war eines der Merkmale des "anti-imperialistischen" Denkens jener Zeit – galt "Conceptual Art" als Mittel, repressive kulturelle Strukturen zu umgehen, die von den USA propagierten Werte der Konsumgesellschaft zu vernichten, und politischer Zensur zu entgehen. Solche Interpretationen, die einen eurozentrischen Blick auf künstlerische Innovation und Entwicklung ablehnen, tragen in eben solchem Maße zur Stärkung eines Bildes globaler kultureller Beziehungen bei, wie sie diese zerschlagen und auflösen. Der eigentliche Begriff "global conceptualism" scheint mir einen grundlegenden Fehler im Denken über die Rolle und den Status der "Peripherie" hinsichtlich des "Zentrums" in der Welt aufzudecken, wie es sich seit den Sechzigern entwickelt hat. Wir laufen immer noch Gefahr, all die regionalen Ausdrücke, unter Umständen eingefärbt mit lokaler politischer und kultureller Bedeutung, in genau das Modell von Kunst zu integrieren, das sie abzustreifen versuchen. Diejenigen aber, die die Vormachtstellung des nordamerikanischen oder europäischen "Conceptualism" – um einen unglückseligen Ausdruck zu verwenden – in Frage stellen, sind in Wirklichkeit Modernisierer ["modernizers"], die auf regionale „Eigenheiten" achten. Auf jeden Fall riskiert es "Conceptual Art", bislang ein Feld heterogener Praktiken, in einen Stil oder eine Haltung verwandelt zu werden, die eine beachtliche kulturelle Reichweite erreichen und eine eigene Entwicklungslogik erlangen kann.

Ich versuche hier, den Standort der Kultur durch ihr Verhältnis zum Wandel der globalen Reichweite einer kapitalistischen Weltordnung zu erklären. Es handelt sich um eine Ordnung, in die der Warenstatus von Kultur so integriert ist, dass sich Fragen des Gegensatzes zwischen "Zentrum" und "Peripherie" erübrigen, als ob diese Gegenpole bezüglich Wirkungsbereich, Zweck und Macht je äquivalent gewesen wären. Die Globalisierung erzeugt einen Kontext mit einer intensivierten Kommerzialisierung von Kultur, in dem die Artikulation von Widerstand und Verweigerung durch das Kunstwerk selbst zum Problem wird. Es ist vielleicht symptomatisch für diese schlechter gewordene Lage, dass Kunst unabhängig von der Form, die sie annehmen kann, schon zu infiziert ist mit einem viralen System, da sie nach "beschützten Umgebungen" (dies ist Fredric Jamesons Ausdruck) strebt, die wiederum auf irgendeine Weise das gesamte Projekt auf den Kopf stellen. Als Ansprüche auf das politische und kritische Potential der Conceptual Art jüngere Künstler kaum überzeugten, und als die gesamte Periode der sechziger bis siebziger Jahre schon als historische oder einfallsreiche Quelle für künstlerische Praxis unwiederbringlich verloren schien, wies Ian Burn darauf, dass diese Kunst aus Wechselbeziehungen besteht, durch die sie mittels "ästhetischer Fragen" Kollisionen mit sozialen und politischen Fragen zu erzeugen fähig ist. ("The Sixties: Crisis and Aftermath", Art+Text 1, 1981.)

Das Problem wurde in der Conceptual Art-Gruppe Art & Language mit marxistischen Begriffen analysiert und diskutiert. Aber auch für jene, die in New York lebten und arbeiteten, floss der Marxismus ziemlich spät in die Diskussion ein und dies geschah dann unter eher exzentrischen Umständen und mit eklektischen Formulierungen. (Vielleicht ist 'der Triumph des leicht Befremdlichen' in diesem Kontext eine gute Definition des Marginalen.) Die New Yorker Mitglieder von Art & Language stützten sich auf einen anhaltenden Diskurs über "kulturellen Imperialismus", der unter Künstlern während der siebziger Jahre gepflegt wurde. Dieser Diskurs wurde bestimmt einerseits durch die Argumente von Max Kozloff ("American Painting during The Cold War", Artforum, May 1973) und der späten Eva Cockcroft ("Abstract Expressionism, Weapon of The Cold War", Artforum, June 1974") über Anhaltspunkte, die die Annahme eines Gebrauchs der US-Avantgardekunst zur Unterstützung der Ziele des Kalten Krieges belegen, und andererseits durch Ian Burns Begriff des Regionalismus. Der antiimperialistische Diskurs wurde durch Kenntnisse verschiedener zeitgenössischer Analysen über ökonomische Unterentwicklung gestützt, die dann als Modell zum Verständnis kultureller Unterentwicklung eingesetzt wurden. Schließlich wurden zahlreiche Studien über die Verwendung von US-Massenmedien zur Propagierung der Konsumkultur in ganz Lateinamerika als nützliche methodologische und ideologische Vorlagen angesehen. Auch wenn diese Forschung ein bisschen übersehen wurde, so ist doch ihre Bedeutung unzweifelhaft: Wir finden sie im Spätwerk von Herbert I. Schiller, als er über Widerstand gegen das schrieb, was er den asymmetrischen "freien Fluss" der Informationen und der Werte vom Norden gen Süden nannte. Resultate empirischer Untersuchungen liegen vor, die von lateinamerikanischen – in den frühen siebziger Jahren vor allem in Chile situierten – Intellektuellen in Forschungsgruppen durchgeführt wurden. Außerdem versuchten linke Intellektuelle wie Ariel Dorfman und Armand Mattelart ("Para Leer al Pato Donald", Valparaíso 1971/"How to Read Donald Duck: imperialist ieology in the Disney comic", New York 1975), die ideologische Zielsetzung der verbreitetsten Formen der Massenkultur, Disney Comics und Zeichentrickfilme, bloßzulegen.

In einer neuen Rezension einer Retrospektive des Oeuvres und der Texte von Art & Language zwischen 1972 und 1981 (P.S.1/The Institute of Contemporary Art, Long Island City, New York 1999) wurde die Gruppe als ein "Marxistisches Kollektiv" beschrieben. Das sollte kein Kompliment sein. Trotz ihres Mangels an Differenzierung lässt sich diese Bemerkung als Charakteristik der künstlerischen Strategien von Art & Language während der siebziger Jahre verwenden. Die Arbeiten dieser Zeit liefern einen virtuellen Katalog der Wege und Mittel einer sehr sektiererischen linken Widerstandspolitik, die aus den Ruinen von 1968 erstand. Zur Negation der bürgerlichen Kulturwerte lassen sich hier Leitbilder finden, die Klassenanalysen und dialektischen Materialismus voraussetzen. Diese Kritik bedient sich politischer Formen (das Plakat, die Polemik), die auch mit den Standards, die in der Mitte der siebziger Jahre galten, als Marginalien zu bewerten waren.

So verschiedene Denker wie Fredric Jameson und Terry Eagleton lassen erkennen, dass Marxismus, wenn er als intellektuelle Quelle verwendet wird, die Möglichkeit einer Art intellektuellen Analyse bietet, welche uns konstant mit Momenten der Unterbrechung im ruhigen Fluss der dialektischen Vermittlung versorgt. So bemerkt Eagleton, wenn er über die Beziehung zwischen Nationalismus, Kolonialismus und Literatur im irischen Kontext spricht, dass es "das Paradox oder die Aporie jeder Transformationsstrategie ist, dass sie fordert, erfolgreich ein 'im Mittelpunkt stehendes', resolutes und selbstbewusstes Agens zu sein, was aber von vorneherein nicht nötig sein würde, wenn ein solches Selbstvertrauen wirklich möglich wäre. Ein radikaler Wandel ist daher durch das, was ihn bewirkt, höchst gefährdet." ("Nationalism: irony and commitment", 1988.)

Jameson zeigt die Grenzen einer nicht durch Geschichte und historischen Wandel strukturierten Theorie auf, wenn er bemerkt, dass "wir in den USA selbst inzwischen an das Aufkommen einer inländischen Dritten Welt glauben und über einheimische Dritte Welt-Stimmen, wie beispielsweise die Literatur schwarzer Frauen oder die Chicano Literatur, sprechen. Wenn das Andere spricht, wird sie oder er ein anderes Subjekt, das durch das imperiale oder großstädtische Subjekt bewusst als Problem erkannt werden muss - daher die Wendung von noch immer weitgehend westlichen Theorien über Imperialismus in eine neue Richtung, hin zu dem Anderen und zu den Strukturen der Unterentwicklung und Abhängigkeit, für die wir verantwortlich sind." ("Modernism and imperialism" 1988.)

In der Position eines urbanen Subjektes bedeutete antiimperialistische Arbeit während der siebziger Jahre die Artikulation zweier separater Momente in einer einzigen Umlaufbahn des Selbstverständnisses: die Verwirklichung der Vorgaben für die eigene Praxis durch kritische Neuverhandlung und durch Abweisung der modernistischen Forderungen nach dem autonomen Kunstwerk. Diese eher abstrakten Momente wurden mittels Anwendung eines weitverbreiteten und standardisierten Modells der maoistischen "Kampfsitzung" konkretisiert, das aus der Kulturrevolution gerettet wurde; das Modell enthält auch die öffentliche Verordnung des "dialektischen" Prozesses von "Kritik, Selbstkritik, Kritik". Daraus ergab sich auch ein passender polemischer Stil; Andrew Menard, Preston Heller und ich bemerkten in einem Beitrag von 1974: "Im Vertrauen sowohl auf unsere soziale Wirkung als auch auf unser Publikum setzt für die meisten von uns [Mitgliedern von Art & Language] in New York die Akzeptanz unserer Ideologie nichts Schwierigeres voraus, als unsere Ideologie zu verstehen (davon [bzw. von ihrem Gebrauch durch andere] zu lernen). So lassen wir selten gelten, dass es auch einige berechtigte Gründe geben mag, den Modernismus deshalb anzuzweifeln, weil der "Hinterwäldler" von Ohio kaum einen oder gar keinen Widerhall seiner gesellschaftlichen Erfahrung in ihm finden dürfte, außer er begreift ihn als weiteres Beispiel kultureller Hegemonie. Wir können uns kaum vorstellen, dass jemand unsere kulturellen Werte verstehen (davon lernen) könnte und sie trotzdem noch inakzeptabel findet. Und wer soll widersprechen? ... Mit dem schrittweisen Vordringen des Modernismus wird jeder Zweifel, den wir dem Modernismus gegenüber hegen könnten, normalerweise in Selbstzweifel gewandelt, und unser eigener Skeptizismus wirkt eher selbstentfremdend als befreiend."

Dieses Thema der psychosozialen Verflechtungen des Modernismus wurde von Mel Ramsden in einem Beitrag ("On Practice") zur ersten Ausgabe von The Fox (Art & Language Press, 1975) untersucht. Ramsden hielt es für notwendig, für seine Auseinandersetzung mit der "Hydra-köpfigen Kunstbürokratie", wie er sie nannte, eine propagandistische Darstellungsweise als heuristisches Mittel zu wählen. Ramsden griff die "abenteuerliche Kunst der Siebziger" als "insular" an, als ein "langweiliges Spektakel von Modeerscheinungen, Räuschen, Unterhaltungen, [und] Verblendungen" unter einer "seichten Maske einer unübersehbaren Spur von 'Kreativität' und 'künstlerische Freiheit'". Allerdings konnte nichts davon ohne "die erstaunliche Zunahme von Ratgebern der Kunstwelt: Unternehmern, Kritikern, Kuratoren, Galeriepersonal, usw." Realität werden. Kurzum, eine Demaskierung setzte eine wirkliche Kritik der Bürokraten voraus, die "näher zu den Quellen der Kontrolle und somit höher in der Markthierarchie" standen als wir, die Künstler. (Unter Bürokratie der Kunstwelt versteht Ramsden: das Faktum, dass "bedeutendere kulturelle Entscheidungen (die zum Beispiel fundamentale Dinge festlegen, wie die Art, wie wir lernen, sowie die praktischen Beziehungen zwischen Menschen) außerhalb unserer Kontrolle liegen und jetzt durchgehend über die unpersönlichen Vorgänge der Marktinstitutionen (z. B. kommerzielle Galerien) und über private administrative Beherrschung (z. B. hier das Artforum, das Museum of Modern Art usw.) bestimmt sind.") Unsere Existenzweise ist eine, in der wir verinnerlicht haben "was der Markt als Deine Talente definiert." Ich gerate in Versuchung, den Rest von Ramsdens langem und weit ausholendem Artikel zusammenzufassen, indem ich Eagletons Diskussion des revolutionären Subjekts wiederaufgreife; dieses Subjekt ist eines, welches "mit einer ihm aufgezwungenen politischen Identität gebrochen hat, so zu einer Art unaussprechlichen, subversiven Negativität gelangt und doch ein Gespür für seine oder ihre eigenen autonomen Kräfte und Fähigkeiten hat, das jene trübe, unbestimmte, aus dem alltäglichen Gesellschaftsleben abgeleitete Erkenntnis unserer selbst als Handelnde bei weitem übertrifft." Alle Beispiele von Ramsden sind Versuchen entnommen, die neue Rolle des "selbst-aufgeklärten" antiimperialistischen, kritischen Künstlers zu verdeutlichen und zu festigen. Es versteht sich von selbst, dass für Ramsden diese verschiedenen Lösungen zum Problem der Suche nach einer neuen politischen, künstlerischen Identität Selbsttäuschungen sind und in die Irre führen. Sie sind dazu verurteilt, prinzipiell zu misslingen, weil die Standards der Marktanalyse, dieser "kitschige Realitätsersatz", niemals hinreichend kritisiert werden. In Bezug auf Conceptual Art erörtert Ramsden, dass konkret ihre Vermarktung als "internationale Kunst" verhindert, dass irgendeine Art von Realismus in die eigene Praxis eindringt. Im Gegensatz dazu verteidigt Ramsden eine "Untersuchung" außerhalb der Kunstbürokratie, um "gewisse Schwierigkeiten, unsere Arbeit publik zu machen, zu steigern". Dieses Thema erinnert an die Analyse, welche T. J. Clark in "The Absolute Bourgeois: Artists and Politics in France, 1848-1851" ausführte. Tatsächlich signalisiert Ramsden dies dadurch, dass er folgendes Zitat von Clark als seinen Epigraph verwendet: "Das war in der Tat das Problem: den Kreuzungspunkt zwischen Öffentlichem und Privatem zu erkennen, und auf diese Weise fähig zu werden, eines durch die Schilderung des anderen anzugreifen."

Auf diese Weise versuchten zumindest zwei Projekte, die von Art & Language New York Mitte der siebziger Jahre initiiert wurden, die Thematik des kulturellen Imperialismus aufzugreifen. Dies bedeutete, dass es nicht bloß willkommen war, eine Lösung für unsere Genossen in der Dritten Welt anzubieten; eher war es die Aufgabe von Künstlern, Kritikern und Kunsthistorikern (und in diesem Falle erfreuten wir uns der Vertretung und Beteiligung der drei Berufsgruppen), zuerst die Position der Mittäterschaft der Konzeptuellen Künstler anzusprechen – insofern als sie unabsichtlich das Projekt des Modernismus förderten – und dann Wege zu finden, auf denen sich die Rolle unterwandern ließ, welche der Kultur zu spielen unterstellt wurde. Diese Rolle bestand darin, als Zutat zu einer tiefer greifenden Form von Unterentwicklung zu fungieren. Beide Projekte waren insofern als öffentliche Projekte konzipiert, als sie in Museen oder in staatlich unterstützten Galerien stattfanden. Beide verlangten, dass wir das Publikum in einen Dialog verwickelten und dass für uns die Inhalte dieser Konversationen unseren eigenen Erfahrungen entsprangen: als in New York lebende und arbeitende Künstler mit allen möglichen Problemen – existentiellen, politischen, ökonomischen usw.; diese Wirklichkeit schien zu provozieren. Wir wollten uns durchaus nicht für die enge Einbindung unseres Gesprächs [in Lebenserfahrung] entschuldigen, sondern eine solche Indexikalität ["indexicality"] als Teil unserer Realität anerkennen und sie deshalb als Teil des anzusprechenden Problems behandeln. Wir maßten uns nicht an, dass wir die Situation des ungleichen kulturellen Austauschs "übersteigen" oder Weltsichten, welche im Wesentlichen unvergleichbar sind, "übersetzen" könnten. Wer das versucht hätte, der hätte sich für den moralischen Bankrott und für die Kunst- und Kulturbürokraten entschieden. Es hätte für uns keine andere Grundlage des Verstehens gegeben als den Willen und die Tatkraft, die Konversation in gutem Glauben fortzuführen bzw. "weiterzumachen" ["to 'go-on'"], wie wir es nannten. Im Gegensatz zu Conceptual Art zielten diese öffentlichen Dialoge darauf ab, die Rolle des Künstlers zu destabilisieren, der bisher ein weiterer Experte, Spezialist, ein autonomes und eigentümlich harmloses Individuum war. So weit Conceptual Art das "weit Hergeholte" und "Fremdartige" integriert, ist sie, behauptet Ramsden, "tief in den Vereinigten Staaten verwurzelt als Beweis der Freiheit und der richtigen Moral." Das ideologische Gebiet des "antikulturellen Imperialismus" von Art & Language wurde im Hinblick auf spezifische geographische Gegensätze definiert: New York – Australien, New York – Jugoslawien, usw. Die geographischen Markierungen haben absichtlich einen unvergleichbaren Status; ihre Verwendung hebt die erkannte Asymmetrie von "New York" als eine Bezeichnung für das Zentrum modernistischer Kunst hervor, das als Gastland "Welt"-Kulturen berücksichtigt. Die Kritik der Gruppe am "internationalen" Modernismus war eine ablehnende Darstellung der internationalen Wanderausstellung, die einige "Modelle" für die Praxis lieferte. Art & Language plädierte für eine künstlerische Praxis, die strategisch in einem Raum anzusiedeln ist, den Widersprüche zwischen einer kulturell abhängigen Situation und der Lage prägen, in der sich eine dominierende kulturelle Macht befindet. Es wurde diskutiert, dass Grundkonzepte, welche sowohl Wanderausstellungen als auch die internationalen Kunstmagazine bestimmen, diese Widersprüche am pointiertesten enthüllen, da ja diese kulturellen Institutionen schon Umstände voraussetzen, in welchen es unmöglich ist, jede Art der Kunstproduktion zu entmystifizieren.

1974 wurden Burn und Ramsden eingeladen, an einer Ausstellung mit dem Titel "Homage to Salvador Allende" teilzunehmen, die im September jenes Jahres vom Center for Art and Culture (CAYC) in Buenos Aires, Argentinien, aufgebaut werden sollte. Als Antwort auf diese Einladung wurde ein Plakat produziert. Es empfahl Künstlern, zu prüfen, "welche Arten kultureller Beziehungen [modernistischer Kunst] andere Künstler antreiben; zu welchen Reaktionsweisen die Künstler von diesen Beziehungen provoziert werden [und] welche kultur-organisatorischen Verfahrensweisen vorausgesetzt werden." Der Text stellte eine Reihe von Fragen vor, die alle über die nächsten zwei Jahre hinweg in Dialogen erforscht wurden: Dies geschah in Diskussionsveranstaltungen mit Streitgesprächen zwischen Art & Language und Künstlern sowie anderen Teilnehmern aus dem Publikum, die in Sydney, NSW [New South Wales], Melbourne/Victoria, Auckland, NZ [New Zealand], Belgrad und Zagreb leben und arbeiten. Unter Nicht-Künstlern herrscht die Meinung vor, dass Künstler "den Menschen – sowohl Kapitalist als Kommunist, Bürger und Proletarier – bei der Selbstbefreiung vom überwältigenden Joch der Bürokratie helfen müssen, damit sie auch ihre eigene Subjektivität befreien und infolgedessen die materielle Welt besser für sich selbst bestimmen können."

Ich möchte das 1975 in Australien entwickelte Art & Language-Projekt in einigen Details näher erläutern. Wir hatten den Eindruck, dass vorhandene Widersprüche nicht so sehr eine Lösung erforderten als vielmehr eine Intensivierung. Seit 1971 arbeitete Art & Language in Großbritannien (und später auch die Gruppe in New York) daran, wie sich Index-Verfahren einsetzen lassen. Folglich arbeitete die Gruppe auch daran, wie man sich selbst die Gesamtheit des Outputs der Gruppe verdeutlicht, welcher zu jener Zeit größtenteils aus Transkriptionen von Gesprächen, Notizen und Essays bestand. Dieser Textcorpus wurde als eine Sammlung von stark ausgeprägten Dialekten gedacht, die ihre indexikalische Art auch in einem anderen Sinne betonen: als Beleg kulturell situierter Äußerungen. Der Documenta Index (http://mitglied.lycos.de/ThomasDreher/3_Konzeptkunst_ArtLang_B2.html) von 1972 versuchte so etwas wie ein User-Interface zu konstruieren, durch das die kulturelle Situierung von Art & Language auf die kulturelle Position des Betrachters abgebildet werden konnte, und umgekehrt. Dies war das erste von diversen Projekten, die entworfen wurden, um sowohl als System der Informationswiedergewinnung ["information retrieval system" (http://container.zkm.de/blurting/l_at/at_180.html)] als auch als Interface einsetzbar zu sein, das öffentliche Teilnahme an dem Diskurs der Gruppe erleichtert. Ein anderes Projekt – die Annotations – war offensichtlich einem Wörterbuch oder Thesaurus nachempfunden. Hier wurden Schlüsselwörter bzw. als Indices eingesetzte Begriffe und "blurts" – dies sind Textfragmente, die den Thesenpapieren entnommen wurden, die bei den (über die Zeitspanne von 6 Monaten hinweg stattfindenden) wöchentlichen Treffen kursierten – zusammengetragen, um ein Handbuch ["Blurting in A & L", 1973 (http://container.zkm.de/blurting/annotations.html)] herzustellen, welches es den Lesern ermöglichen soll, sich, geleitet von ihren eigenen spezifischen Interessen, einen eigenen Pfad durch das Material der Gruppe zu erschließen. All diese Projekte legten die Erkenntnis nahe, dass der Status des Betrachters als uninteressierter Beobachter [s. Anm. zur Übers. unten] revidiert wird. Art & Language idealisierte diese neue Betrachter-Beziehung als eine der Kollaboration; außerhalb des selbst gesetzten Rahmens der diskursiven Interaktion zwischen Individuen in und um die Gruppe gab es kein "Werk", über welches man hätte sprechen können. 1974 wurde Art & Language (New York) von drei australischen Museen – der Art Gallery of New South Wales (Sydney), der National Gallery of Victoria (Melbourne) und der Art Gallery of South Australia (Adelaide) – eingeladen, eine Werkschau aufzubauen. Mehr oder weniger zur selben Zeit boten die australischen Mitglieder des internationalen Rates des Museums of Modern Art ["International Council of the Museum of Modern Art"] eine Ausstellung mit impressionistischen Gemälden an. Unter der Leitung von William S. Lieberman, Kurator für Druckgraphik und Zeichnungen am MOMA [Museum of Modern Art, New York], wurde eine Wanderausstellung mit dem Titel "Modern Masters: From Manet to Matisse" zusammengestellt. Sie enthielt 114 Arbeiten von 58 Künstlern, einschließlich Matisse (10 Arbeiten), Picasso (7 Arbeiten), Braque (6 Arbeiten), Cézanne (5 Arbeiten), Vuillard und Derrain (je 4 Arbeiten), sowie Renoir, Balla, Modigliani, Mirò, Klee, Dalì usw. Wie Terry Smith zu dieser Zeit notierte, "verkörpert, bewahrt und feiert 'Modern Masters' die fast schon 'offizielle' Version der Kunstgeschichte des vergangenen Jahrhunderts, die die Malerei als höchste Kunstform ausweist, und die die Avantgarde – insbesondere die Periode der Schule von Paris – als ihren wesentlichen Ausdruck versteht." ("Review: Fighting Modern Masters" The Fox 2 (1975))

Zufällig überlappte sich die Terminplanung der Ausstellung von Art & Language bei zweien der drei vorgeschlagenen Veranstaltungsorte mit dem Zeitplan der Wanderausstellung der "Modern Masters". Diese Umstände veranlassten Art & Language, dem australischen Publikum die Probleme des kulturellen Provinzialismus und der kulturellen Abhängigkeit durch eine Reihe öffentlicher Diskussionen in den Museen nahe zu legen. Diese Diskussionen wurden von Terry Smith und einem geladenen Gast geleitet, die "versuchten, die Fernschreiber-Botschaft in den Dialog untereinander und mit dem Publikum einzubinden". Unter den eingeladenen Gästen befanden sich Humphrey McQueen, ein Kunsthistoriker von der australischen Nationaluniversität, Canberra; Lucy Lippard, die wohlbekannte New Yorker Kunstkritikerin; Henry Kripps, Wissenschaftsphilosoph, Melbourne Universität; und Studenten der Kunstabteilungen des Preston Institute of Technology, Melbourne Universität und anderen Kunstschulen. Nur durch "explosives" Übertragen [MAPPING] der Lebenswelt von Art & Language in die "Realität" eines internationalen kulturellen Austausches, so war der Ansatz von Art & Language, könnten die Probleme des kulturellen Imperialismus auf eine das Publikum nicht-bevormundende Weise ausgeleuchtet werden. Die Tatsache, dass "blurts" von New York per Fernschreibung übertragen wurden, sollte Fragen nach dem Import von mit Kunst assoziierten Problemen provozieren.

Dies sollte nicht noch ein weiterer "trans-ozeanischer Vortrag sein, sondern ein Dialog [mit] unsere[n] [Art & Languages] Gesprächsfragmenten", war auf dem Ausstellungsplakat zu lesen. "Diese Fragmente (die telegraphierten "blurts") sind dazu da, um sowohl eine Menge von (deinem) sozio-kulturellen 'Rauschen' aufzunehmen, als auch eine Menge von unserem [Rauschen] zu reflektieren ... es gibt keinen rauschfreien Kanal zwischen Dir und mir. Dieses 'Rauschen' wird erkenn- oder empfangbar, indem gewohnte Verhaltensweisen reflektiert werden. Transformationen können von der Oberfläche in die Tiefe verlegt werden, und infolgedessen – und dies ist das Entscheidende – haben wir ein Potential zur Revidierung unserer sprachlich/kulturellen Umstände ..." Ein Telex fasste dies ziemlich derb zusammen, indem es feststellte, dass "die einzig adäquate Reaktion auf die 'Modern Masters' in Australien in einer konsumierenden Haltung zu finden ist ... es gibt keinen Lerneffekt. Die Ausstellung exemplifiziert einen Begriff von Kultur, der wesentlich abstrakt und vom menschlichen Handeln abgekoppelt ist." Es war geplant, die Art & Language-Diskussionen mitten in den Ausstellungsräumen der Museen stattfinden zu lassen. Das erste Museum kündigte die Ausstellung der Gruppe, welche für April 1975 vorgesehen war, mit der Begründung, dass sie die MOMA-Schau stören würde. Nachdem sie die Einzelheiten des Projektes von Art & Language erfasst hatten, behaupteten die Museumsbeamten in Sydney, dass eine "Vorlesung" keine Kunstausstellung sei und sie daher in einen Hörsaal und nicht in ein Museum gehört. Der MOMA-Kurator Lieberman drohte dem Direktor der Nationalgalerie von Victoria mit einem Gerichtsverfahren, wenn das Art & Language-Projekt ausgeführt wird. Unter enormem Druck zog sich das MOMA von dieser Position mit der Aussage zurück, dass es ihnen egal sei, wo die Art & Language-Ausstellung gezeigt wird, solange dies nicht inmitten der "Modern Masters" geschieht. Darauf wurde das Projekt in eine benachbarte Kunstschule, einem Teil des Victoria College of the Arts, verlegt; dies war eine Institution, die in keinerlei Zusammenhang mit dem Museum stand. Trotz beträchtlicher Belästigung durch Museumsbeamte und einer Weigerung, das Projekt anzukündigen, besuchten eine ansehnliche Zahl der Hundertschaften, die sich täglich bei den "Modern Masters" einfanden, auch den Diskussionsraum von Art & Language. Die von Terry Smith aufbereiteten Transkriptionen des Geprächsverlaufs an jedem der Veranstaltungsorte und zusätzliches Dokumentationsmaterial wurden 1976 als "Art & Language: Australia 1975" publiziert. Es gibt gute Gründe, Ian Burn – eine Schlüsselfigur in Art & Language in New York zwischen 1970 und 1977 – als den Urheber der Fragen über kulturellen Imperialismus und Unterentwicklung zu bezeichnen; [es ergab sich] eine mit Begriffen der australischen Erfahrung des nordamerikanischen Modernismus höchst eindringlich [mittels Fernschreiben] eingeleitete Diskussion. Über diese und verwandte Themen begannen Anfang 1973 in New York Konversationen zwischen Burn, Mel Ramsden und anderen Mitgliedern von Art & Language. Burns Artikel "Provincialism", welcher in "Art Dialogue" Oktober 1973 erschien, folgte Terry Smiths Text "The Provincialism Problem" (Artforum, Februar 1974). Eine ausführliche Diskussion zwischen Burn, Ramsden und Smith erschien in "Draft for an Anti-Textbook", das von der Art & Language Press im Herbst 1974 (Art-Language, Vol.3/No.1, September 1973) publiziert wurde.

Die australischen Gespräche waren ein Versuch, in einem ganz anderen kulturellen Milieu die Auswirkungen der vom Modernismus ausgelösten Selbstentfremdung zu klären. Es kann behauptet werden, dass einige Themen – wie der kulturelle Imperialismus – zu einer neuerlichen Reflexion der Lage von Art & Language ermutigten und zu einer Teilrevision der Praxis der Gruppe führten. Infolgedessen geriet die Verbindung zwischen der Text- und der Objektproduktion, welche die Praxis der Gruppe seit den frühen siebziger Jahren bestimmt hatte, ins Stocken; das war vielleicht weniger eine Angelegenheit des "theory testing" als vielmehr eine Frage, wie sich polemische Texte generieren lassen und wie sich das Problem ihrer strategischen Positionierung lösen lässt. Das Empfinden fester politischer Überzeugung, das mit einem gewissen Mangel an ironischem Umgang mit politischen Bewegungen verbunden war, hatten nicht alle Mitglieder der Gruppe. Gegen Ende 1976 befand sich Art & Language selbst in einem unhaltbaren Zustand, bedingt durch einen internen Konflikt über das Dilemma, ob man die politische Dimension von Kunst direkt umsetzen sollte oder ob man im gesellschaftlichen Rahmen, der durch die avantgardistische Praxis vorgegeben war, bleiben sollte. Gegeneinander aufgebracht waren [auf der einen Seite] jene, die sich als im paradoxen Netz der Kulturpolitik gefangene Künstler ohne klaren Ausweg sahen, und [auf der anderen Seite] Künstler, die glaubten, der Weg nach vorn sei im direkten Engagement für radikale Politik mit dem Ziel zu finden, "effektive" visuelle Propaganda zu schaffen.

"The Cultures of Globalization" lautet der Titel einer kürzlich publizierten Essaysammlung, welche von Jameson und Masao Miyoshi herausgegeben wurde. Ich halte den Titel für einen zu diesem Beitrag passenden Schluss, da er den Weg in die Zukunft charakterisiert und auf die Probleme weist, denen sich Künstler und Intellektuelle stellen müssen, ob sie nun von der Zerstörung der lokalen Kulturen betroffen, oder einfach daran interessiert sind, in hoher Kunst die Zusammenhänge zwischen Marktdominanz und regionalem Einfluss nachzuvollziehen.

1974 fragten Art & Language, warum sollen lateinamerikanische, europäische oder asiatische Künstler nach New York schauen, wenn es um Angelegenheiten ihrer eigenen Existenz geht. Warum, so wurde gefragt, bleiben Künstler außerhalb von New York darauf bedacht, die Grundsätze des Modernismus zu beherrschen, der ihrer Lebenswelt im Wesentlichen fremd ist? Wenn Mitglieder von Art & Language als "Künstler ohne Werkproduktion" der Überzeugung waren, künstlerische Praxis sei weniger die Produktion von Objekten, als der Versuch, in einer unmöglichen Situation zu leben, welche Rolle konnte dann Kunst unter diesen Umständen spielen? Welche Art von Arbeit ist möglich, wenn man glaubt, dass die Dialektik zwischen gewissen (historisch determinierten) Anforderungen und Wünschen niemals betrachtet werden sollte, als wäre sie für eine Vermittlung offen?

Diese Problematik wurde durch eine künstlerische Praxis kontextualisiert, die viele Ähnlichkeiten zur Conceptual Art hervorbrachte, aber nicht Conceptual Art war. Ein großer Teil unserer Praxis war von der Forderung geleitet, dass wir in der Kunstwelt [ART WORLD] über uns selbst sprechen sollten, ohne notwendigerweise anderen etwas über die Kunstwelt zu erzählen. Aufmerksamkeit erregte kulturelle Hegemonie, es bestand aber wenig Interesse, Antonio Gramscis Aufforderung zu folgen und für das zu kämpfen, was er als die "Hochebene" der Kultur bezeichnete. Diese weltfremden Haltungen enthielten auch keinen Widerstand gegen Veränderung; sie sind wahrscheinlich ebenso wenig überzeugend für heutige Praktiker, wie es Donald Judds Behauptung, Kunst sei in den USA keine "kulturelle Dekoration für den amerikanischen Imperialismus", für Art & Language und andere in den siebziger Jahren gewesen war. (Don Judd, Letter to Irving Sandler unter Bezugnahme auf das Forum am College Art Association 1973. Siehe auch Judds "Imperialism, Nationalism and Regionalism", Oktober 1975.) Jameson schlug vor, Globalisierung als "eine nicht totalisierbare Totalität" zu definieren, „die verfestigte binäre Beziehungen zwischen ihren Teilen, meist Nationen, aber auch Regionen und Gruppen, verstärkt, welche sich weiterhin mittels eines Modells 'nationaler Identitäten' (eher als z. B. in Begriffen der sozialen Klassen) zu Wort melden." (Jameson, Vorwort zu "The Cultures of Globalization".) Im weiteren Verlauf der Argumentation empfielt Jameson, andere Fragen über diesen speziellen Zustand stellen. Zum Beispiel: Ist Globalisierung [einerseits] eine "Angelegenheit transnationaler Dominanz und Uniformität oder, andererseits, die Quelle der Befreiung lokaler Kultur aus einem engstirnigen Zustand und aus nationalen Formen?" Dies war sicherlich das Dilemma, mit dem Art & Language sich während einer Reihe von Diskussionen, die vom Belgrader Kulturzentrum der Studenten Ende 1975 initiiert wurden, konfrontiert sah. Dort artikulierten junge jugoslawische Künstler ihre Erfahrung, dass die konservative Definition des Staates von Kunst als Staffeleigemälde, Skulptur und Druckgraphik in Kombination mit dem Widerwillen der Gewerkschaft Jugoslawischer Künstler, Präsentationsformen als Kunst anzuerkennen, die wir heute unkritisch als "neue Medien" bezeichnen (z. B. Conceptual Art, Performance Art, usw.), zu einer Strategie des Ausschlusses führte. Doch der offiziellen Taktik konnte, behaupteten die jugoslawischen Künstler, am besten durch den Hinweis auf das Erfolgsbeispiel genau der "avantgardistischen" Praktiken des Westens begegnet werden, welche nach Art & Language unterlaufen werden mussten. Zugleich hegten diese jungen Künstler eine wirkliche Antipathie gegen die Förderung einer nationalen, serbischen Kultur, die sich in den bildenden Künsten in der staatlichen Unterstützung naiver Malerei auf Glas Geltung verschaffte. Im internationalen Austausch werden, so zeigt sich, die in den Nationalstaat eingeschriebenen Klassenbeziehungen und Kämpfe erkennbar. Diese Art der theoretischen Analyse würde unserem Verständnis des Phänomens, welches wir vielleicht zu schnell "kulturellen Imperialismus" nannten, sicherlich eine neue Dimension hinzufügen. (Während der frühen siebziger Jahre gab es unzweifelhaft gute Gründe und ein klares Gespür für die politische Dringlichkeit, welche solche Bezeichnungen zum Ausdruck brachten; ich denke da insbesondere an den Solidaritätsakt mit den chilenischen Sozialisten). Die Situation im Hinblick auf Australien ist jedoch weniger offen, da ja der bedeutendere kulturelle Export dieses Kontinents heute ungleich repräsentiert ist: einerseits durch eine staatlich unterstützte und vermarktete Malerei der Aborigines, und andererseits durch einen mehr oder weniger typischen Bestand postmoderner Kunst. Eine Vertreterin der Besten von letzterer Tendenz ist Tracey Moffatt. Sie ist selbst Aborigin und lehnt es dennoch ab, das abgedroschene Terrain zwischen Identität und Differenz zu beanspruchen, auch wenn es zur wichtigsten Stütze der künstlerischen Andersartigkeit geworden ist. Keiner dieser beiden Trends hätte während der siebziger Jahre von einem standhaften kulturellen Nationalisten wie Burn vorhergesehen werden können, obwohl ein klares Interesse an der Art vorhanden war, in der sich australische Aborigines-Künstler historisch mit den ästhetischen Konventionen der europäischen Weißen kreuzten. Während der achtziger und frühen neunziger Jahre schrieb Burn zusammen mit Ann Stephen überzeugend über dieses Thema, vor allem im Kontext einer Neubewertung des Werks von Albert Namatjira, eines Künstlers des westlichen Aranda Volkes in einer Region nahe bei Alice Springs ("The transfiguration of Albert Namatjira", [Age Monthly Review, November] 1986, und "Namatjira's white mask", in "The Heritage of Namatjira", Melbourne 1992.)

Der Problemhorizont Mitte der siebziger Jahre war jedoch stark konzentriert durch die "Modern Masters" des Museums of Modern Art und durch die die Tatsache, dass Jackson Pollocks "Blue Poles (Number 11, 1952)" kurz zuvor von einem größeren australischen Nationalmuseum (Australian National Gallery, Canberra) für den beispiellos hohen Preis von 2 Millionen US-Dollar erstanden worden war. Hinzu kam die unleugbare Verwüstung Südost-Asiens durch das US Militär und seine Verbündeten. Das politische Ziel war sicher nicht eine Einladung zu einem selbstsicheren, auf "Primitivismus" aufgebauten Regionalismus, sondern viel eher ein Aufruf zu Autonomie und Dezentralisierung.

Burn war nicht der Typ, der die Fähigkeit von Kunst überschätzt, ihre eigenen Marktbedingungen zu überwinden. Noch bestärkte er den Wunsch, dass aus Kunst Politik werden sollte. Letztendlich kam Burn zur Einsicht, dass Klassenpolitik immer und überall zur Kulturpolitik hinzukommen muss. Deshalb stellen seine Hinwendung zum kulturellen Aktivismus während der achtziger Jahre im Kontext der australischen Arbeiterbewegung und seine offensichtliche "Rückkehr" zur Kunstproduktion während der neunziger Jahre zwei Seiten derselben Medaille dar. Im Rückblick auf Art & Languages marxistisch inspirierte Untersuchungen von Kultur und Kunst der siebziger Jahre lässt sich sagen, dass es Momente gab, in denen die idealisierte Institutionenkritik der Conceptual Art verwirklicht wurde. Da diese Momente nicht als sichere Identität in Form von "Kunstwerken" präsentiert wurden und nicht fest in politischen Formationen außerhalb der Kunstwelt integriert waren, geriet diese Institutionenkritik in Vergessenheit. Das heißt, sie wurde zu einem Beispiel dafür, wie man in der Kunstwelt nicht Karriere macht.

[Anm. von T. D. zur Übers.: "modernism" wird hier mit "Modernismus" übersetzt und "modernistic" mit „modernistisch". „Modernismus" kann im Kunstkontext nicht mit „Moderne" gleichgesetzt werden: Für die Definition von „Modernismus" wurde die Kunstkritik von Clement Greenberg und Michael Fried zum Paradigma. Fortschritt bestimmen Greenberg und Fried als selbstkritische Praxis, in der Künstler durch Reduktionen ihre eigenen Mittel freilegen und zu einer autonomen, interesselosen Kunst gelangen. Der Kritiker kann sich zwar nur auf seine subjektive und unmittelbare, von keinem Interesse getrübte Reaktion beim ersten Anblick verlassen, dennoch hat sein Urteil normative Bindung, da er als Kenner geübter im Erfassen des erreichten Stands der Reduktion und der künstlerischen Qualität ist. Greenberg und Fried stellen die Entwicklung abstrakter Malerei ins Zentrum ihrer Geschichte des Modernismus (seit Edouard Manet). Sowohl in der Reduktion der Geschichte der Kunst auf die Gattung Malerei als auch in der Beziehung zwischen der reduktionistischen Freilegung der künstlerischen Mittel bis zum Malträger einerseits und andererseits der Beurteilung künstlerischer Qualität, die doch eine optisch wirksame Differenzierung durch Farbbehandlung des Trägers voraussetzt, ergeben sich Widersprüche in der Argumentation. In den sechziger Jahren hielt Greenberg Jules Olitski und Kenneth Noland für die adäquate Fortsetzung des "Modern Painting" nach Jackson Pollock, Morris Louis und Barnett Newman, während Michael Fried auch Frank Stella favorisierte. Vertreter von Pop und Minimal Art wurden scharf kritisiert, weil sie formalistischen Setzungen des Modernismus widersprechen: Pop und Minimal Art führen dreidimensionale und darstellende Elemente wieder ein, lösen Grenzen zwischen Werk- und Umraum auf und provozieren Betrachter zu Beobachtungsprozessen in Raum- und Zeitdimensionen (Gehen, Augenbewegungen, Pro- und Retention im Gedächtnis). Letzteres widerspricht dem Kriterium der Unmittelbarkeit: Das Werk muss beim 'ersten Blick' als Ganzes erfahrbar sein. Erst in den siebziger Jahren hat der Modernismus seine die Meinung des Kunstpublikums in Befürworter und Gegner spaltende Wirkung verloren. Theoretische Äußerungen von Künstlerin von Künstlern der Conceptual Art und die Fortsetzung der Integration Neuer Medien in künstlerische Strategien führen Anfang der siebziger Jahre zur endgültigen Ablösung der normativen Ästhetik des Modernismus: Der Pluralismus zeitgenössischer Kunstformen und Kunstkonzepte führt zum Verzicht auf Theorien mit normativen Geltungsansprüchen. Die um normative Selbstabgrenzung bemühte Hochkunst wird von einer Reflexion der institutionalisierten Dichotomie Hochkunst/Unterhaltung (E/U, high/low) abgelöst. Die Kritik institutionalisierter Dichotomien prägte in den sechziger und siebziger Jahren die Auswahl der Werkkonzepte zunehmend deutlicher und wird schließlich auch in Künstlertheorien und Werken artikuliert. Reflexionen der eigenen medialen Verfassung und deren Vorcodierung ebenso durch akademische Evaluierungen wie durch Unterhaltungsformen werden in den siebziger Jahren häufig werkkonstitutiv. Indem die Mitglieder von Art & Language in ihren Texten seit den siebziger Jahren den Modernismus auf seine sozialen und kulturellen Quellen zurückführen, werden seine modernen Wurzeln freigelegt. Auf diese Weise meint „Modernismus" sowohl eine Kunsttheorie als auch einen sozialen Kontext. In dieser Rekontextualisierung ist allerdings auch das Ende des Modernismus angelegt: Bevor der Modernismus eine Angelegenheit ästhetischer Probleme sein kann, ist er in den kritischen Texten bereits eine Angelegenheit der Institutionenkritik: "the Emmerich gang" demaskiert. (André Emmerich vertrat die Künstler Anthony Caro, Morris Louis, Kenneth Noland und Jules Olitski, die alle von Greenberg und Fried protegiert wurden.)]

 



Last update: Tuesday, July 9, 2002 at 10:13:14 PM.
 

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