Blurting In A & L

Question 4

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inactiveTopic Question 4 topic started 01.07.2001; 17:38:56
last post 15.12.2002; 04:00:59
Art & Language - Question 4  blueArrow
01.07.2001; 17:38:56 (reads: 71948, responses: 5)
Is context-art self-restricting, locating itself within the given museum context? Can we find here the reason why the alternatives articulated in the discourse of Art & Language are resisted?(compare annotations 1, 2, 132, 205-216, 281-289, 290-295) Ist für Kontextkunst eine Selbstbeschränkung auf Fragen der Selbstlokalisierung von Kunst im gegebenen musealen Kontext charakteristisch? Fehlt ihr damit nicht die von Art & Language artikulierte diskursive Herausforderung des Kunstbetriebs durch das Konzipieren von Alternativen (vgl. Annotations 1, 2, 132, 205-216, 281-289, 290-295)?


Art & Language - Answer 4/1  blueArrow
04.07.2001; 17:39:07 (reads: 64433, responses: 0)
It is always difficult to identify precisely the alternatives articulated by Art & Language. If you mean to refer to the historical practices of the 1970s, pursued around the time of the Annotations and Index projects, then I'd say that they were not so much resisted as admired from afar. The choices seemed to be "join us" or else. (See question 1 and reply, above.) There is a distinction that needs to be made between the theoretical space and the cultural-social space of Art & Language. The entire cultural space of "alternatives" seems to me to be suspect. Michael Corris(InvCollege@aol.com)


Art & Language - Answer 4/2  blueArrow
05.07.2002; 22:28:27 (reads: 65011, responses: 0)
We're talking about an art that is essentially homeless, except in the sense that there are places where producers and talkers, etc. foregather. Homelessness is bad for business. What is even worse for business is an unstable, self-replicating and self-repudiating product. This may, however be good for IT business. Michael Baldwin/Mel Ramsden(ARTLANGUAGe@aol.com)


Thomas Dreher - Answer 4/3  blueArrow
13.07.2002; 21:28:30 (reads: 65011, responses: 0)
The most relevant parts for a criticism of the art world (the relations between criticism, museums and the market) were developed in the sixties and seventies (in "Art-Language", "The Fox" and "an anti-catalog"). I am not able to recognize any relevant development of this criticism afterwards, why? I find in the eighties and later a plurality of artistic strategies installing intermedia forms of presentation within a given museum framework. And these forms of context art present a framework which seems to wait for an interpretation which uses the framework for an institutional criticism of the seventies. I find examples for demonstrations how so called contextual artists can gain a market value when they exhibit within the art world a criticism of their constitution: They distribute and sell their work in the criticised manner. Because they neither widen the criticism nor change the strategies: Do they sell a display of a certain kind of criticism? The artistic articulation of a criticism of the art context is now very imprecise and the presentation form is constituted by arbitrary artistic decisions.

Die wichtigsten Teile zur Kritik des Kunstbetriebs (die Beziehungen zwischen Kritik, Museum und Handel) wurden in den sechziger und siebziger Jahren entwickelt (in "Art-Language", "The Fox", "an anti-catalog"). Mir gelang es bislang nicht, nach dieser Pionierzeit irgendeine relevante Entwicklung der Kritik des Kunstbetriebs zu erkennen, warum? Ich finden in den achtziger Jahren und später eine Vielfalt künstlerischer Strategien, wie intermediale Präsentationsformen in gegebenen Ausstellungsrahmen präsentiert werden können. Doch sind diese Formen der Kontext Kunst wie geschaffen für Interpretationen auf der Basis der in den siebziger Jahren entwickelten Kritik des Kunstbetriebs. Ich kann vor allem Beispiele für Demonstrationen finden, wie Künstler sich einen Marktwert schaffen, wenn sie im Kunstbetrieb eine Kritik seiner Rahmenbedingungen ausstellen: Sie vertreiben und verkaufen ihr Werk auf die in ihren Werken kritisierte Weise. Weil sie weder die Kritik erweitern noch die Strategien ändern: Verkaufen sie ein Display einer bestimmten Art der Kritik? Die Kritik wird leider unpräziser und ihre Präsentation künstlerisch verspielter. Thomas Dreher (TDreher@onlinehome.de)


Michael Hofstetter - Answer 4/4  blueArrow
14.12.2002; 15:15:28 (reads: 62683, responses: 0)
Kunst zielt im besten Falle auf Heimatlosigkeit. In Heimatlosikeit kann sie sich aber nicht arktikulieren diese kann sie nur evozieren. Ihr Herd sind ihre eigenen zeitlichen und örtlichen Bedingungen über die sie im besten Fall hinausweist. Das Spezifische wird zum Exemplarischen Fall das Besondere zum Allgemeinen. Jede Äußerung hat einen spezifischen Ort und Rahmen wie auch diese Aüßerungen hier auf dieser Webseite. Die Wahl des Ortes ist durch Konvention gegebenen oder durch Strategie hergestellt. Es wäre reichlich kurzsichtig von schuldigen und unschuldigen Orten zu sprechen, wie es auch keine unverbrauchten Orte mehr gibt. Die Geschichte der Kunst ist die sukzessive Besetzung von noch nicht oder scheinbar nicht kodierten Orten. Nach Salon, Museum, Galerie, Atelier, Wohnzimmer, Küche und Internet gibt es keinen unschuldigen Ort mehr, der nicht durch eine Konvention nicht verbraucht ist. Schon allein die Geste des Rückzuges an herrschaftsfreie Räume ist dialektisch verknüpft in diesem endeckt werden. Daß man umgekehrt sich an etablierten Institutionen abgearbeitet hat, um durch Aufdeckung, deren Praxis eine eigene Unschuld des Werkes zu suggerieren, hat sich in der Wiederholung, wie Dreher richtig sah, auch entlarvt. Jede Masche korrumpiert sich selbst. Dennoch war der Ansatz nicht deshalb schon falsch, weil ihn einige dazu verwendet haben ihre eigene Karriere damit zu bestreiten. Die Kritik muß meines Erachtens nur umfassender werden. Nicht nur die Bedingungen die Institutionen, die Praxis müssen zur kritischen Masse des Werkes werden sondern das Werk selbst muß sich in einer zweiten Scannung nämlich als das Bloßstellende, als das Kritisierende, als das Aufzeigende zur Disposition werden. Die Richtung der Referenz muß zweibahnig sein. Nur ein sich selbst disponierendes Werk kann glaubhaft die eigenen Bedingungen zu Disposition stellen.

Aber fangen wir doch mal ganz von vorne an. Warum ist diese Seite auf der Plattform vom ZKM. Warum benutzt sie das Renomee dieser Institution? Warum wird hier eine Diskussion geführt die Minidifferenzen Probleme einer kritischen Kunst anspricht, während gleichzeitig eine Ausstellung "Von ZERO bis 2002 –Zeitgenössische Kunst aus den Sammlungen Siegfried Weishaupt, Froehlich, FER und Grässlin neu präsentiert" in dieser Institution läuft, die die Praxis der symbolischen Aufwertung von Sammlerkunst durch Mussen ohne jede Problematisierung zelebriert. Ab diesem Moment müßte sich doch diese Diskussion hier sich auf diese Praxis beziehen und ganz konkret die Plattform das ZKM problematisieren und anarchisch witzig oder sonstwie eingreifen. Hier erst wird diese Diskussion für mich glaubwürdig. Stattdessen wird eine Paralleldiskussion geführt, die sehr gerne den symbolischen Mehrwert der Institution die auch aufgrund solcher Ausstellungen herrührt mitnimmt um einen größeren Wirkungskreis zu haben. Also das was für Künstler gilt, das ihre Kritik der Institutionen strategisch geführt zu einem größeren Rennomee führt gilt auch für die anderen beteiligten Personen, wie Kritiker und Kuratoren. Michael Hofstetter (MichaelHofstetter@t-online.de)


Thomas Dreher - Answer 4/5  blueArrow
15.12.2002; 04:00:59 (reads: 68251, responses: 0)
An Michael und seine "Answer 4/4":
1.) Du schreibst: "Nur ein sich selbst disponierendes Werk kann glaubhaft die eigenen Bedingungen zu Disposition stellen." Das ist richtig, nur ist das noch keine Antwort auf meine Kritik in Answer 4/3, dass nach den siebziger Jahren neue Einsichten in die Zusammenhänge in die Institution Kunst fehlen und deshalb viele Künstler Lay-Outs von Kontextkritik für Installationen im kritisierten Kontext ausführen. Viele dieser Produkte sind nicht ephemer, sondern sammel- und in andere Kontexte übertragbar. Gutwilligen Kunstkritikern steht häufig kein anderes Vorgehen zur Wahl, als Brücken zwischen Installationsdesign und vorhandenen kritischen Ansätzen zu offerieren. Meist sehen die Installation chic aus und lesen sich die Kritiken bemüht. Dein Beitrag war, hier Beobachtungsmodelle ins Spiel zu bringen, die kontextoffen sind und zugleich - als Camera obscura-Systeme - diese Kontextoffenheit zu problematisieren. Die Rekursionen zwischen Sinnesreizen und kognitiver Verarbeitung werden in Deinen interessanteren Installationen zum Brennspiegel der Kritik am Ausstellungsort.
2.) Du schreibst: "Warum ist diese Seite auf der Plattform vom ZKM. Warum benutzt sie das Renomee dieser Institution?"
a.) Das ZKM besteht aus drei Institutionen: dem Medienmuseum, dem Sammlermuseum (Museum für Neue Kunst, MNK) und der Hochschule für Gestaltung. Das Sammlermuseum war in Stuttgart geplant und wurde von Volker Klotz nach Karlsruhe gezogen: Mit den noch freien Hallen der ehemaligen Minitionsfabrik und der Anbindung an das ZKM mit Medienmuseum und Hochschule konnte er den Sammlern einen attraktiven Kontext bieten. Außerdem lieferte er mit seiner Vorstellung von "Zweiter Moderne" ein Programm, das neue und alte Medien aufeinander bezog und so erlaubte, die Gemälde und Skulpturen der Sammlungen einzubinden.
In den Monaten nach der Eröffnung des Sammlermuseums (1999) zogen Ströme von Besuchern durch die Etagen. Das Medienmuseum war mit Net_Condition nicht schlecht besucht, konnte aber mit dem Sammlermuseum nicht mithalten. Heute ist das Sammlermuseum mäßig besucht, während zum Beispiel in Iconoclash (2002) viele Besucher im Medienmuseum zu finden sind. Die interessantesten Ausstellungen des Medienmuseums zeigen Verbindungen zwischen älteren und neuen Medien in einer Weise auf, die technik- und sozialgeschichtlich relevante Aspekte der Medientheorie zusammenführen.
Peter Weibel, der Leiter des ZKM, und Götz Adriani, der Leiter des Sammlermuseums, erschienen 1999 und später als Antigonen. Adrianis reservierte Haltung gegenüber Digitalisierung und Virtualisierung wurde in Presseberichten über den neuen Komplex ZKM/MNK mit dem Problem in Verbindung gebracht, dass die beiden Museen nur getrennt zugänglich sind. Die Abtrennung der beiden Museen lässt sich nicht umgehen, weil die Hochschule einen dazwischen liegenden Lichthof besetzt. Ein Gang im Erdgeschoss ermöglicht es Besuchern, die Distanz zwischen beiden Museen zu überbrücken, ohne das Gebäude verlassen zu müssen. Diese Trennung zwischen noch nicht digitalen Medien im MNK und Konzentration auf Phänomene der Digitalisierung im ZKM wurde durch die Haltung von Adriani zu einer programmatischen Trennung, zu einer Spaltung zwischen zwei Kunstformen. Weibels Antworten liessen an Schärfe nichts zu wünschen übrig. Die Trennung in sammelbare Objekte und projektorientierte Kunst drohte zementiert zu werden, während Übergänge aufgezeigt werden sollten. Die aktuelle Ausstellung Von Zero bis 2002 der Sammlung des MNK könnte - vor allem mit ihren "Gästen" - diesen Konflikt entschärfen und Brücken zur Ausstellung Future Cinema des ZKM schlagen. Die Videothek des ZKM, die an Wochenenden manchmal stark frequentiert ist, und Videopräsentation im MNK (Bruce Nauman, Nam June Paik, Bill Viola) zeigen, wo die Überschneidungen zwischen beiden Museen liegen. Wenig registriert wurde in der Öffentlichkeit das Open Video Archive des ZKM, das Video für alle und - anders als die Videothek - auch von jedem Netzanschluss aus zugänglich präsentiert.
Volker Klotz´ erste Präsentation des ZKM 1997 in drei restaurierten Lichthöfen des Hallenbaus mit einer integrierten Vorstufe des Sammlermuseums (zwei Lichthöfe: EG: Malerei, Fotografie, Video; 1. OG: reaktive computergestützte Installationen; 2. OG: Internet, Videospiele) hat alle Besucher enttäuscht, die eine Alternative zu den üblichen musealen Präsentationen erwarteten. Die Rückwendung zu etablierten Medien dominierte und die Vorstellung der neuesten Medien im 2. OG liess viele ratlos. Der 1997 überwiegende retrospektive Gesamteindruck des ZKM mit MNK hat sich ab 1999 geändert.
Das Netz liefert dem ZKM nicht nur Alternativen zur Ausstellungspraxis, sondern es liefert auch die wichtigsten Bedingungen für Neue Medien: Translokalität in Verbindung mit Interaktivität schaffen für alle User neue Möglichkeiten für Beobachteroperationen. Das ZKM wird zur Forschungsstelle und seine Website offeriert die Konfigurationen zeitgenössischer Datenverarbeitung und -vernetzung in überzeugender oder nicht überzeugender Weise. Die Trennung zwischen Medienmuseum und Hochschule lässt sich via Internet in öffentlich nachvollziehbare Interaktion überführen. Kosuths Vorschlag von 1970 (in: Art-Language, Vol.1/Nr.2), Kunst analog zur Wissenschaft als Forum zu betreiben, wird zum Programm und weckt Erwartungen an das Gebotene.
b.) Deine Kritik, dass auch im Netz Datenflüsse durch Aufmerksamkeitslenkung zentriert werden, und dass Projekte wie "Blurting in A & L online" solche Kontexte benötigen, wenn sie bemerkt werden sollen, ist zutreffend: Die Kultur der Aufmerksamkeitslenkung endet nicht im Netz, sondern wird dort fortgesetzt, allerdings `verzweigter´ und in stark veränderter Form gegenüber ihren Vorläufern und zeitgenössischen Konkurrenten, den Massenmedien.
Ich würde einem Künstler nicht raten, Mitschreibeprojekte nur auf der eigenen Website zu lancieren. Ob er Mitschreiber findet, weil er über Links sein Projekt an Museumsseiten anbindet, oder ob er das Projekt auf der Website eines Museums laufen lässt, ist, was den Verlauf der Datenflüsse und die Aufmerksamkeitslenkung betrifft, ein unerheblicher Unterschied.
Es macht allerdings einen Unterschied, ob ein Netzprojekt vor allem Aufmerksamkeit für Kunsthandelskunst erzeugen soll, oder ob es darum geht, User zur Reflexion und zum Mitschreiben zu motivieren, wie das hier geschieht: Der ökonomische Kreislauf, der alle Datenflüsse im Ausstellungsbereich durchsetzt, ist bei "Blurting in A & L online" unterbrochen. Mir verhilft das Projekt auch zu keiner Karriere. Da wäre jedes Mitschreibeprojekt bei Dir (und auf Deiner Website) in einem anderen Kontext! Die wiederholte Selbstlokalisierung von Künstlern zwischen "Criticality" und "Complicity" in einer an den Kunsthandel rückgekoppelten und von seinen Selektionskriterien bestimmten bis `entfremdeten´ Institution Kunst ermüdet, während viele Fragen nach vernetzten Kommunikationsmedien offen sind und aktuelle Probleme beinhalten, die eine Abgrenzung eines Kunstbereichs von anderen Datenkontexten sinnlos machen.
3.) Die Volte, meine Kritik an Kontext Kunst gegen "Blurting in A & L online" und damit auch gegen mich zu wenden, ist eine interessante Idee, nur leider könnte sie, was das ZKM betrifft, kenntnisreicher ausgeführt sein. Thomas Dreher (TDreher@onlinehome.de)